Katar – Ein kleines Land mit großen Ambitionen

Kann man Wachstum spüren? In Doha kann man es. Wer durch die City geht, merkt schnell, jedes zweite Grundstück ist eine Baustelle. Alles ist in Bewegung, die Stadt verändert sich wie im Zeitraffer. Dabei bot die Stadt zur Jahrtausendwende noch ein recht beschauliches Bild. Einzig die pyramidenförmige Silhouette des Sheraton-Hotels fiel ins Auge, von einer Skyline im heutigen Sinne konnte noch keine Rede sein. Das Sheraton bildet noch immer einen wichtigen Bezugspunkt an der West-Bay, ragt es doch ein wenig weiter ins Meer hinaus, als die übrigen Bauten. Doch zahllose Wolkenkratzer entlang der Uferpromenade Corniche haben ihm die Schau gestohlen. Hier präsentiert sich alles, was die moderne Architektur zu bieten hat. Und unablässig kommen neue Highlights hinzu, so dass das Bild der Stadt sich permanent wandelt. Nicht offensiv protzig oder mondän wie Dubais „Disney-Kulisse“, sondern mit souveräner Selbstverständlichkeit.

Qatar, so die offizielle Schreibweise – Katar hat sich im deutschspachigen Raum eingebürgert – ist ein eher kleines Land. Nur etwa 250.000 Kataris könnten das explosionsartige Wachstum nicht allein bewältigen. Es braucht rund 1,5 Millionen Fremdarbeiter aus aller Herren Länder, die das Wirtschaftsgefüge am Laufen halten. Entsprechend bunt ist die ethnische Vielfalt. Die Einheimischen sind bei weitem in der Minderheit. Doch anders wäre die Reise in die Zukunft nicht zu schaffen.

Katar hat sich viel vorgenommen und klare Schwerpunkte gesetzt. Man möchte in der Welt geachtet, vielleicht sogar unentbehrlich sein. Und dazu braucht es ausgewählte Leuchtturmprojekte, die prägnant zeigen, wer man ist und wofür man steht. Da reicht es nicht aus, sich auf üppigen Öl- und insbesondere Gasvorkommen auszuruhen. Reichtum darf vorausgesetzt werden, doch das allein verschafft noch keine Identität. Wichtig ist, was man daraus macht. Forschung und Entwicklung, Diplomatie, Medien, Gesundheitswesen und allen voran der Sportsektor, das sind die Bereiche, in denen man zur Weltspitze aufrücken will.

Dass Katar 2022 als erstes arabisches Land die Fußballweltmeisterschaft ausrichten wird, dass 2015 bereits die Handball-Weltmeisterschaft dort ausgetragen werden wird, das sind Eckpunkte, die der Welt das kleine Emirat ins Bewußtsein bringen. Mal ehrlich, viele hätten Katar doch sonst überhaupt nicht auf der Rechnung. Und schaut man sich die Sportstätten vor Ort an, so stellt man beeindruckt fest, dass das Land im Stadionbau schon an der Weltspitze angekommen ist. Kein Wunder, dass Schalke oder Bayern München hier bereits ihr Wintertraining absolvieren. Derart optimale Bedingungen sind woanders kaum zu finden.

Wie schützt sich ein reicher Winzling vor den Begehrlichkeiten anderer? Wie erlangt ein so filigranes Staatswesen Sicherheit und Stabilität nach außen wie nach innen? Der Emir Hamad al-Thani hat die Gabe, integrativ zu denken und zu handeln. Seine Bewunderer bezeichnen ihn als den Henry Kissinger Arabiens. Will heißen: Er erkennt Mißstände und Unzufriedenheit im Innern, bevor sie zu Tage treten, spricht seine Entscheidungen mit den einflußreichsten Familien des Landes ab, sorgt für Wohlstand und Zufriedenheit. Durchaus keine Demokratie, doch nach der ruft bislang auch kaum jemand und wenn, so würde man sich sicher einig.

Noch auffälliger ist die Öffnung gegenüber internationalen Interessen. Katar hört und empfängt praktisch jeden, kann zwischen Hamas und Israel vermitteln. Das U.S. Militär ist hier ebenso zuhause wie die Muslimbruderschaft. Zu Libyen und Syrien hat Katar mehrfach Stellung bezogen und deren Demokratisierungsbewegungen maßgeblich unterstützt. Es ist der beste Schutz, anderen Staaten unentbehrlich zu werden und permanente Präsenz zu zeigen. Jeden Tag ein wenig wichtiger für die Welt zu werden, das ist die beste Strategie, um das eigene Überleben zu sichern.

 

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Eine Antwort auf Katar – Ein kleines Land mit großen Ambitionen

  1. Funke sagt:

    Bin gerade durch Zufall auf diese Website gestoßen. Ich finde es toll, dass sich endlich jemand die Mühe macht etwas über diesen kleinen Staat, den kaum einer kennt, Informationen zusammen zu tragen. Der erste Artikel ist schon gut geschrieben und macht Hoffnung auf mehr.

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